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Historisches aus der Gemeinde Sandersdorf

Ersterwähnung von Sandersdorf

Klaus Peter Synnatzschke

Einleitung

Eine Urkunde, die die Jahreszahl der Gründung eines Ortes enthält, ist äußerst selten. Meistens wird für das Alter eines Ortes dessen Erwähnung in einer anderen Urkunde akzeptiert. Das bedeutet, dass der Ort in der Regel älter als die gerade vorliegende Ersterwähnung ist. Die Suche nach noch älteren Urkunden, die eine Nennung des Ortes enthalten, kommt der Jahreszahl der Gründung zwar näher, ohne diese aber damit ermitteln zu können. Für Sandersdorf liegt eine solche Ersterwähnung bisher für das Jahr 1374 vor. Das 1957 durchgeführte Heimatfest stand unter dem Motto "800 Jahre Sandersdorf". Die Autoren der Festschrift zur 800–Jahrfeier nennen ihre Namen und die Quellen nicht [6]. Ab 2000 befragen die Bitterfelder Umweltbibliothek e. V. und die Gemeinde Sandersdorf die Archive [1] bis [4] nach Urkunden zur Ersterwähnung von Sandersdorf. Das Ergebnis dieser Recherche soll in den folgenden Ausführungen dargestellt werden.

Ersterwähnung

Das Thüringer Hauptarchiv Weimar teilt am 06.09.2000 Folgendes mit [8]:

"Anhand der Findmittel unseres Ernestinischen Gesamtarchivs kann bisher lediglich eine Urkunde von 1374 als spätere Abschrift nachgewiesen werden, die die Übereignung des Dorfes Sandersdorf an das Nonnenkloster Brehna beinhaltet." (ThH StAW: EGA, Reg. 0o 13) [3]

Kopien der Urkundenabschrift aus dem Ernestinischen Gesamtarchiv von 1374 (ThHStAW, EGA, Reg. Oo pag. 98 Nr. 13) mit der verkürzten deutschen Übersetzung (ebenda, Nr. 14) sowie einem undatierten Dankschreiben [ca. 1500] des Brehnaer Klosters an Kurfürst Friedrich III. — im Zusammenhang mit Streitigkeiten zwischen dem [Amt Wittenberg?] und Klosteruntertanen zum Markt in Sandersdorf (ThHStAW, EGA, Reg. Kk 186) — werden in der Bitterfelder Umweltbibliothek e. V. aufbewahrt [3] [8].

"Urkunden von 1310 und 1373 zum Verkauf von Sandersdorf an das Kloster konnten leider in unseren Urkundenbeständen nicht nachgewiesen werden. Da uns die Arbeiten von Gustav Krug [7] und Alfred Schmidt [10] zu dieser Thematik nicht vorliegen, ist eine Prüfung dieser Belege bzw. der Signaturen nicht möglich."[3]

Das Sächsische Hauptstaatsarchiv Dresden schreibt am 26. August 2002:

"DIETRICH FREYDANK [5] hat jedoch zweifellos Recht, wenn er auf Seite 131 seiner Arbeit über die Ortsnamen der Kreise Bitterfeld und Gräfenhainichen feststellt, dass durch die romanische Kirche in Sandersdorf die Existenz des Ortes mindestens für das 13. Jahrhundert belegt ist. Sandersdorf gehört somit zu der Vielzahl von Orten, die sich erst sehr lange nach ihrer Gründung schriftlich nachweisen lassen. Ursachen für so späte Belege sind in der noch relativ geringen Schriftlichkeit im Hochmittelalter und in seitdem eingetretenen Überlieferungsverlusten zu suchen." [2]
Bild 1. Die evangelische Kirche — das älteste Bauwerk in Sandersdorf

Zur Orientierung seien hier die Ersterwähnungen (ohne Angabe der Quellen) einiger Orte um Sandersdorf genannt. Odeley, Colpien, Preddel, Stakendorf und Krotendorf sind bereits vor oder im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) untergegangene Dörfer (Wüstungen).

Die 800-Jahrfeier im Jahr 1957

Über die Vorbereitung und Durchführung der 800-Jahrfeier existiert nur ein Vermerk im Protokoll über die am 14.1.1957 stattgefundene Sitzung des Rates der Gemeinde Sandersdorf.

"Koll. Sondershausen teilt weiterhin mit, daß an der Sitzung 15.1.1957 gleichzeitig die Kollegen der Ortschronik geladen werden, da Ende des Monats Mai 1957 die Feier des 800–jährigen Bestehens Sandersdorf stattfindet, welche gründlich vorbereitet werden muß." [9]

Es ist davon auszugehen, dass die 800 Jahre ohne Beleg einfach festgelegt wurden.

Bild 2. Festwagen im Umzug der 800–Jahrfeier am "Gasthof zur Eisenbahn"

Aus dem Kreismuseum Bitterfeld verlautet hierzu:

"Ebenso ist mir ein Beleg für eine Ersterwähnung im Jahr 1157, auf den sich die 800 Jahrfeier im Jahr 1957 bezieht, unbekannt. Leider bleiben uns die Autoren des Heftes zur 800 Jahrfeier eine Quellenangabe schuldig. Die Aussage, dass die Region zwischen Mulde und Elbe um 1150 durch fränkische Bauern besiedelt wurde ist historisch richtig, daraus gleichzeitig auch ein Gründungsdatum für eine Ortschaft abzuleiten ist ohne einen schriftlichen Beleg reine Spekulation, zumal auch zu berücksichtigen ist, dass es hier zu diesem Zeitpunkt bereits slawische Siedlungen gab." [4]

Das Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt hält es für möglich

"dass die Gemeinde Sandersdorf 1957 ihr 800–jähriges Bestehen feierte, hängt offenbar mit der Erwähnung eines Ortes Predele zu 1156 zusammen. Am 30. November 1156 trat Konrad der Große, Markgraf von Meißen (aus dem Hause Wettin), als Laienbruder in das Chorherrenstift auf dem Petersberg ein. Dabei bestätigte er die Besitzungen des Stifts, darunter zwei Hufen in Predele. Hinter dem Ortsnamen Predele könnte sich nach Aussage von Gustav Reischel die Wüstung Preddel in der Feldmark von Sandersdorf verbergen (Wüstungskunde der Kreise Bitterfeld und Delitzsch (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt, NR 2), Magdeburg 1926, S. 195; Auszug liegt in Kopie bei). Die Urkunde ist ediert im: Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae, Hauptteil I, Bd. 2:
Die Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen 1100-1195, hg. von Otto Posse. Leipzig 1889, Nr. 262. Das Original befindet sich im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden."[1]
Auszug S.195
53. Preddel.
Im Kr. und aA. Bitterfeld.
"Der westlich vom Brodelgraben oder richtiger Brodelbache liegende Teil der nördlichen Feldmark von Sandersdorf bildet gewissermaßen eine abgeschlossene Flurabteilung für sich, so daß sie für eine Wüstung recht geeignet ist. Die dort vorkommenden Flurnamen "Pröddelstücke" und "Preddelkabeln" (diese auch auf dem rechten Bachufer, Mtbl. 2461) erinnern an die anhaltische Wüstung "Preddel" in der Nähe (s. unten), wo auch "Preddelstücke" genannt werden (Mtbl. 2461), an die zweite anhaltische Wüstung Preddel (Weyhe II, 583) und an die Wüstung "Pretalitz" (später Brolitz) in der Wendenmark bei Wanzleben (s. Hertel, Wüstungen im Nordthüringgau Nr. 303 und 46, nebst Karte). Danach liegt es nahe, auch hier eine Wüstung anzunehmen, was zwar die ältesten Nachrichten gar nicht und die späteren nicht klar genug erkennen lassen, obgleich die "Predelmark" des Jahres 1555 (s. unten) darauf hindeutet. Die Literatur spricht geradezu von der "wüsten Bredel Mark" bei Sandersdorf."
"Lit. Schurich und Leonhardi haben übereinstimmend die wüste Bredel–Mark bei Sandersdorf. — In der Schenkungsurkunde des Markgrafen Konrad zugunsten des Petersbergklosters (Cod. Sax. I, 2, 176; auch Köhler, Postlexikon S. 47) steht Predele mit 2 Hufen. Klaehn nimmt es für das vorliegende Preddel. Wenn dieses Predele auch unter Orten am Petersberge und in seiner Nähe angeführt ist, so kann es möglicherweise doch Preddel bei Sandersdorf sein."

Herkunft des Ortsnamens Sandersdorf

FREYDANK führt zur Entstehung des Ortsnamens Sandersdorf aus:

"Sandersdorf, Dorf w. Bitterfeld. – 1374 *) Sanderstorff Wm. Cop. B I,199) – 1436 Sanderstorff Wm. 539 – 1526/7 Or. Sanderßdorff ib. 3413 – 1555 Sandersdorf Pallas 69 – Ma. zanorsdorf.
Der Ortsname kann zu einem Personennamen Sandrat gestellt, aber auch auf einen Personennamen Sander < Alexander zurückgeführt werden. In der Liste der bis 1347 urkundlich erwähnten hallischen Bürger, die Bierbach (UBH II S.643 bis 653) gibt, ist Alexander nach Johannes der häufigste Vorname fremder Herkunft. Von 15 bis 1300 erwähnten Personen mit Vornamen fremder Herkunft (außer Johannes) heißen 5 Alexander.
Da der Ort zumindest im 13. Jh. schon bestand (vgl. § 55,3) und Ortsnamen, die nach einem Heiligennamen gebildet sind, im Kreisgebiet aus dieser Zeit sonst nicht vorkommen, ist die erste Deutung vorzuziehen." [5, S.68]
"Alle Personennamen sind germanischen Ursprungs. Heiligennamen fremder Herkunft treten in unseren Ortsnamen zweimal auf: Georgenrode und Petersroda. In beiden Fällen handelt es sich, wie die Belege zeigen, um Zusätze des 14. Jh., so daß die Personennamen nicht auf die Gründungszeit (12. Jh.) zurückgehen, sondern die späteren Besitzer bezeichnen. Zur chronologischen Auswertung dieser Tatsache vgl. § 70.
Die einzige mögliche Ausnahme ist Sandersdorf, das auch auf einen Personennamen Sander < Alexander  zurückgehen kann. Sandersdorf ist erstmalig 1374 *) belegt, jedoch bezeugt die alte romanische Kirche die Existenz des Ortes wenigstens für das 13. Jh. Damit kann der Ort jedenfalls nicht als spätere Gründung im Zeitalter der Heiligennamen angesprochen werden." [5, S.130 – 131, § 55,3]

*) Nach [3] von 1382 auf 1374 berichtigt.

Für die Durchsicht empfohlene Archivunterlagen

Das Thüringische Hauptstaatsarchiv Weimar gibt den Hinweis auf folgende Unterlagen ihres Archivs [3]:

Eine systematische Durchsicht dieser zahlreichen Aktenbündel lässt weitere Einzelinformationen zu Sandersdorf erwarten.

Das Landeshauptarchiv Sachsen–Anhalt [1] macht auf die Sächsische Landesbibliothek aufmerksam. In der Sächsischen Landesbibliothek (01054 Dresden) ist eine ältere Arbeit zum Kloster Brehna überliefert, die einen Urkundenanhang enthält:
Köhler, Johann Jacob: Geschichte der Stadt und Grafschaft Brehna nebst einem Anhange von 72 Urkunden. Leipzig [1750 o. um 1792]; Signatur: J 265.

Es könnte sein, dass diese Urkunden eine Erwähnung zu Sandersdorf enthalten.

Quellenverzeichnis:
[1] Landeshauptarchiv Sachsen–Anhalt, Hegelstraße 25, 39104 Magdeburg. Magdeburg, den 26. 09. 2002. Bearbeiter: Herr Kriese
[2] Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Archivstraße 14, 01097 Dresden. Dresden, den 26. August 2002. Bearbeiter: Herr Leisering, Aktenzeichen: 7512.2–1/1367.02
[3] THÜRINGISCHES HAUPTSTAATSARCHIV WEIMAR, D–99408 Weimar, POSTFACH 27 26. Weimar, den 06.09.2000 und 22. 08 2001. Bearbeiter: Herr Graupner
[4] Kreismuseum Bitterfeld, Kirchplatz 3, 06749 Bitterfeld. Bitterfeld, den 27.06.2002. Uwe Holz, Museumsleiter
[5] Historische Kommission bei der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, DEUTSCH–SLAWISCHE FORSCHUNGEN ZUR NAMENKUNDE UND SIEDLUNGSGESCHICHTE. Herausgegeben von Theodor Frings und Rudolf Fischer, Nr. 14
DIETRICH FREYDANK: ORTSNAMEN DER KREISE BITTERFELD UND GRÄFENHAINICHEN. AKADEMIE–VERLAG BERLIN, 1962
[6] Festschrift zur 800-Jahrfeier der Gemeinde Sandersdorf, 1957
[7] Krug, Gustav: Chronik von Sandersdorf (Kr. Bitterfeld), Druck von Wilhelm Lauffs, Holzweissig–Bitterfeld, 1929
[8] Projekt "Historie von Sandersdorf" (abgeschlossen), Bitterfelder Umweltbibliothek e. V., unveröffentlichte Niederschrift, 2001
[9] Protokolle der Gemeinderatssitzungen 1956 und 1961. Landkreis Bitterfeld, Archiv, Bestand Sandersdorf, Signatur 73
[10] Schmidt, Alfred: Geschichte des Augustiner Klosters St. Clemens zu Brehna. Brehna 1925
Bildnachweis
Bild
1K.P. Synnatzschke, Sandersdorf
2G. Volk, Sandersdorf

Letzte Änderung: 28. April 2008

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